Unsere jüngste Tochter hat einen Adventskalender für meine Frau gebastelt. Mit ihrer kindlichen Schönschrift und in den Weihnachtsfarben rot und grün. Hinter den Türchen verbergen sich kleine Sprüche, die ausdrücken, wie gern sie ihre Mama hat.

Vor ein paar Tagen öffnen meine Frau und ich beim Morgenkaffee das Türchen und lesen folgenden Spruch: „Du bist ein Mensch.“ Wir müssen lachen. Sind unserer Tochter langsam die Ideen ausgegangen?

Nachmittags fragen wir nach: Was hast du damit gemeint? Die 11-jährige antwortet:

Du bist ein Mensch, heißt, du bist nicht Gott. Du musst nicht alles schaffen. Du kannst auch mal Fehler machen.

Wir sind überrascht über diesen Gedankengang. Das Mädchen hatte vorausgeahnt, wie viel ihre Mutter zu tun hat. Sie wollte sie entlasten in einer Zeit, in der viel zu schaffen ist: die Geschenke besorgen für Kinder, Eltern, Patenkinder, Wichtel. Konzerte besuchen in der Gemeinde, in der Schule und Musikschule. Auf Weihnachtsfeiern sitzen von Firma und Sportverein, … Und das, wo in diesem Jahr die Adventszeit nur drei Wochen lang ist und sich alles noch mehr zusammendrängt.

Du. Bist. Ein. Mensch. - Ausatmen.

Der Kern von Weihnachten ist die Botschaft: Gott wird Mensch. Wem das Wort „Gott“ zu nichtssagend oder abgegriffen scheint, der kann es getrost durch „Liebe“, „Himmel“ oder „unsichtbare Wirklichkeit“ ersetzen. Zwei Bereiche, die seit Menschengedenken getrennt schienen, berühren sich. Und der Durchbruch kommt von außerhalb, von der anderen Seite. Die Liebe, der Himmel, die unsichtbare Wirklichkeit wollen zur Welt kommen. Das Baby im Stall von Bethlehem ist Teil dieses Durchbruchs. Gott weiß, wie es ist, ein Mensch zu sein. Er hat es selbst erlebt. Dazu gehören auch Unvollkommenheit und Fehler.

Ich habe in diesem Jahr manche Weihnachtsfeier abgesagt, etliche Andachten nicht besucht, ich bin mir auch nicht sicher, ob meine Geschenke den Geschmack des Beschenkten treffen werden. Ich bin auch nur ein Mensch. Aber ich bin überzeugt: das Wichtigste ist schon passiert: Gott ist Mensch geworden.  

Lars Bremer, Aschersleben