Erntedank in der Jurte

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Erntedank in der Jurte

Es ist Sonntag, 9.15 Uhr: In Druxberge öffnet Pfarrer Thomas Seiler das große Tor zur Wiese des evangelischen Kindergartens und gibt damit den Blick auf ein großes rundes Zelt frei. Schon treffen die ersten Gemeindemitglieder ein und freuen sich über den Anblick: Da steht sie nun, ihre Jurte. Von der Form her wie ein Zirkuszelt, nur wesentlich kleiner und statt der bunten Zeltplane lässt heller Baumwollstoff im Inneren das Sonnenlicht gedämpft und zugleich freundlich wirken.

In dieser besonderen Atmosphäre tragen die Besucher des Gottesdienstes ihre Gaben zum Altartisch und nehmen in einer großen Runde auf Klappstühlen Platz. Sie erwartet heute etwas Traditionelles verbunden mit etwas Neuem. Und so beginnt Pfarrer Seiler euphorisch: „Es ist schon abenteuerlich, so ein Erntedank in der Jurte und alles passt so gut ... es riecht sogar ein bisschen wie im Garten“, freut er sich und fährt mit dem Wochenspruch fort. In seiner Predigt geht es um die Wundersame Brotvermehrung und deren Deutung. Die Not des Gegenübers zu sehen und einander zu unterstützen, stellt er in den Vordergrund. Deshalb übergibt er einem der Landwirte des Dorfes symbolisch eine Flasche Wein für seine Durchhaltekraft trotz der schlechten Ernten in den letzten Jahren. Den Gesang der Gemeindemitglieder unterstützt Birgit Seiler, die Gemeindepädagogin des Pfarrbereichs, mit Blockflöte und Gitarre.

Nutzung der Jurte vorerst alternativlos
Aber es ist keineswegs Abenteuerlust, die die Gemeinde den Erntedankgottesdienst in einer Jurte feiern lässt. Wer Jurte googelt, erfährt, dass diese die traditionelle Familienwohnstätte der Nomaden in Zentralasien ist. Nomaden benötigen eine Unterkunft, die schnell ab- und aufzubauen ist, wenn sie mit ihren Viehherden weiterziehen. Doch die Jurte in Druxberge bleibt vorerst. Lässt auch der Blick aus dem Zelt die Kirche zum Greifen nahe wirken - der Eindruck täuscht: Seit über einem Jahr hat hier kein Gottesdienst mehr stattgefunden, denn lange vertikale Risse im Mauerwerk drohen die Kirche zum Einsturz zu bringen. „Nachdem unsere Gemeinde 2012 das Dach decken ließ, die Kirche durch Druxberger Fachleute ehrenamtlich von innen neu ausgemalt und auch mehrere Register der Orgel restauriert worden waren, kam es überraschend zur Rissbildung im Gemäuer“, so Gemeinderatsvorsitzende Theda von Graeve: „Momentan bleibt uns nichts weiter, als zu hoffen, dass die Risse nicht weiterwachsen.“

Projektpartner gesucht
Verschiedene Untersuchungen und Gutachten legen nah, dass die Trockenheit der letzten Jahre ein Grund dafür ist. Das über 150 Jahre alte Kirchengebäude steht im Herzen des Dorfes weithin sichtbar auf einem Hügel, der von der letzten Eiszeit geformt wurde. Ziel ist es nun, das Mauerwerk durch eine Verankerung dauerhaft zu sichern und wenn notwendig auch die Tragfähigkeit des Untergrundes zu stärken. Dazu wurden in den letzten zwei Jahren viele Gespräche mit Fachleuten geführt und  Anträge auf finanzielle Unterstützung gestellt. Bei einem Projekt dieses Umfangs kein leichtes Unterfangen. Im ehemaligen Pfarrhaus, seit 85 Jahren auch evang. Kindergarten, hat die Kirchengemeinde einen Raum, der als Winterkirche und für Gemeindekreise genutzt wurde. Das ist momentan aber mit den bestehenden Hygieneregeln wegen Corona nicht möglich, weil der Raum recht klein ist und auch nicht für Festgottesdienste zusammen mit dem Kindergarten und weiteren Druxbergern ausreicht.

Neue Räume für die Gemeinde schaffen
Mit dieser Problematik konfrontiert, schaltete sich der neue Referent für Gemeindepädagogik im Kirchenkreis Egeln, Jörn Bischoff, ein und ermöglichte, dass die Gemeinde sich vorübergehend eine Jurte aus dem Nachbarkirchenkreis Halberstadt ausleihen konnte. Daraufhin stellte Pfarrer Seiler einen Antrag auf Anschaffung einer Jurte, die nun der Kirchenkreis der Gemeinde längerfristig zur Verfügung stellt. Mitte letzter Woche hat ein Team von sieben Helfern, darunter die Gemeindekirchenratsmitglieder Willy Wenzel, Ortwin Büber, der Impulsgeber Jörn Bischoff, Pfr. Thomas Seiler, die beiden FSJler Romy und Clemens, sowie der Praktikant der KiTa, Niklas, die neue Jurte in vielen Stunden gemeinsam aufgebaut. Nun wurde sie mit einem Erntedankgottesdienst eingeweiht.

Aus der Not eine Tugend machen
Nach dem Gottesdienst wurde fleißig geplant, wofür man das Zelt noch so nutzen könnte. Ideen gibt es viele: für Christenlehre, Martinsfest, Krippenspiel und Veranstaltungen des Kindergartens ...  

Abb. 1 (Kirchenkreis Egeln) Pfarrer Thomas Seiler predigt vor dem bunt geschmückten Altartisch.



Abb. 2 (Kirchenkreis Egeln) Gemeinde beim Erntedankfest

Abb. 3 (Kirchengemeinde Druxberge) Die Jurte steht auf der Wiese des evangelischen Kindergartens von Druxberge. 


Abb. 4 (Kirchenkreis Egeln) Blick aus der Jurte hin zu Kindergarten und zur Kirche, die leider derzeit nicht nutzbar ist.


Abb. 5 (Kirchenkreis Egeln) Die Erntekrone von 2014 vor den Rissen im Mauerwerk.

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