02/07/2024 0 Kommentare
Breitenhagener Kirche ist wieder bei Stimme
Breitenhagener Kirche ist wieder bei Stimme
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Breitenhagener Kirche ist wieder bei Stimme
Bevor der Monteur den Schalter umlegt, steckt er vorsorglich die Ohrstöpsel in seine Ohren. Und dann beginnen nacheinander die drei Breitenhagener Glocken, wie von Geisterhand bewegt, zu schwingen und erste Töne von sich zu geben. Noch getrennt und nicht gemeinsam, denn es gilt genau zu hören, ob die Anschlagwinkel stimmen und die Glocken weder zu weich noch zu hart angeschlagen werden. Als letztes werden noch drei Federschalter montiert, die verhindern, dass die Glocken bei einer Störung zu hochschwingen. Nach dem Ausschalten werden die Glocken genauso sanft abgebremst wie sie zuvor in Schwung gebracht wurden.
Nach gut einer Stunde ist alles fein justiert und Pfarrer Rödiger wird in die Bedienung der Schaltuhr unterwiesen, während seine Ohren sich wieder an die normale Lautstärke gewöhnen.
Es war ein langer Weg bis zu diesem Tag. Begonnen hat alles damit, dass die Kirchengemeinde 2016 feststellen musste, dass der Anfang der 90-iger Jahre sanierte Kirchturm erneut Schäden aufwies. Schnell stellte sich heraus, dass diese umfangreicher waren, als dass sie mit einer einfachen Reparatur behoben werden konnten. Also wurden Fördermittel für eine umfassende Turmsanierung beantragt und 2020 nach mehreren Anläufen auch bewilligt. Wie nötig diese Sanierung war, zeigte sich dann als 2020 endlich mit den Arbeiten begonnen werden konnte. Nach der Freilegung des Fachwerks wurde klar, dass weit mehr Fachwerkteile ihre „tragende Rolle“ verloren hatten als erwartet. Der Breitenhagener Tischlermeister Rainer Rehse, der zuvor schon die Schallluken in ehrenamtlicher Arbeit aufgearbeitet hatte, fertigte nun einen Mauerseglerkasten mit fünf Appartements. Zusammen mit einem Eulenkasten bieten sie den Vögeln eine „neue Heimat“, nachdem das wilde Nisten im Turm nicht mehr möglich ist. Trotz einer erheblichen Kostensteigerung konnten die Arbeiten kurz vor dem Weihnachtsfest 2020 abgeschlossen werden. Und so leuchtet seit dieser Zeit der komplett instand gesetzte, standsichere Kirchturm wieder über das Schifferdorf. Nur das er noch immer stumm war, schmerzte den Gemeindekirchenrat, wie so manchen Einwohner.
Weil Kirchenglocken letztendlich immer zum Gebet rufen und dies die Religionsausübung betrifft, gibt es für derartige Arbeiten keine öffentlichen Fördermittel. Da kam der glückliche Umstand, dass die Kirchengemeinde ihr ehemaliges Pfarr- und Gemeindehaus in gute Hände verkaufen konnte, ihr sehr zu Gute. Denn nun konnte sie einen Teil dieses Erlöses dafür verwenden, den Plan anzugehen, dem sanierten Turm und der Kirche wieder eine Stimme zu geben. Denn wie früher üblich waren die Breitenhagener Glocken bisher nur per Hand zu läuten. Doch mit dem Schrumpfen der Gemeinde, wurde es immer schwieriger mindestens zwei Männer zu finden, die das volle Geläut zum Klingen bringen konnten. Von einem regelmäßigen Abendläuten ganz zu schweigen.
Vor der Elektrifizierung der Glocken aber stand am 4. Februar 2021 der notwendige Einbau eines neuen Glockenstuhles zur Aufnahme derselben. Diese Arbeiten wurden von der Glockenstuhlbau Firma Andreas Müller aus Thalheim in beeindruckender Qualität und Schönheit ausgeführt. Nicht umsonst zählt diese Firma zu den führenden Glockenstuhlbauern in unserem Raum. Die Glocken und Turmuhrenfirma Christian Beck aus Kölleda hat dann vom 22. – 24. März die Montage der Glocken samt Läuteanlage und Uhrhammer übernommen. Sie ist ein langjähriger Partner der Kirchengemeinde und wartet alle Glockenanlagen im Pfarrbereich. Das Besondere der Breitenhagener Läuteanlage ist ihr Antrieb über sogenannte „Wanderfeld – Linearmotoren“. Dabei wird ein Magnetfeld erzeugt, dass einer Magnetschwebebahn gleich, eine gegenüberliegende Metallplatte in Bewegung versetzt. Dieser berührungslose Antrieb ist in seiner Steuerungsfähigkeit besonders fein und vor allem gegenüber Kettenantrieben besonders leise.
Beinahe wäre der Plan der Kirchengemeinde, am Ostermontag zum Gottesdienst um 9:00 Uhr die Glocken wieder festlich in Gebrauch zu nehmen, doch noch in Gefahr geraten. Denn bei den Planungen war aus dem Blick geraten, dass elektrische Glocken Strom brauchen. Den gibt es natürlich im Kirchturm, aber für eine Läuteanlage braucht es mehr als nur eine Lichtleitung. Zum großen Glück gibt es aber in Breitenhagen mit der Elektrofirma Michael Ernst einen Partner, der sich auch bisher schon um die Kirche verdient gemacht hat. Immer wieder hat er dafür gesorgt, alles ins „rechte Licht“ zu setzen und manches Mal seine Leistungen dafür gespendet. Seinem schnellen Handeln verdanken wir nun auch eine neue ausreichend dimensionierte Elektroverteilung auf dem Kirchenboden. Sie ist so dimensioniert, dass auch das nächste Projekt geplant werden kann. Die Wiederherstellung der völlig desolaten Orgel, einschließlich neuem Gebläsemotor auf dem Kirchenboden. Denn zu den vorhin erwähnten Glücksumständen gehört, dass der neue Besitzer des Pfarrhauses Johannes Schanz nicht nur ein passionierter Klavierlehrer und Chorleiter mit freien Terminen ist, sondern auch ein begeisterter Organist.
Zwei kleine Restarbeiten bleiben noch. Als die beiden Eisenhartgußglocken 1958 im Turm installiert waren, wurde im Protokoll vermerkt, dass man nicht vergessen möge, rechtzeitig und regelmäßig den Rostschutzanstrich zu erneuern. Nach 63 Jahren wird es höchste Zeit dafür.
Die Treppenanlage in den Turm muss noch fertig saniert werden. Dann kann man, voraussichtlich zum Denkmaltag, auch ohne Kletterei die Glocken besichtigen.
Derzeit berät der Gemeindekirchenrat über eine neue Läuteordnung. Darin wird es ganz sicher ein Abendläuten geben, aber auch über ein Läuten zur Geburt eines Breitenhagener Kindes denkt der Gemeindekirchrat gerade nach.
Der hoffentlich erste traurige Anlass zum Läuten der Glocken wird am 18. April um 15:00 Uhr ein Geläut zur Andacht, für mit und an Corona gestorbene Menschen, in Anlehnung an den von Bundespräsident Steinmeyer vorgeschlagenen Gedenktag, sein.
Sobald die Zeiten es wieder zulassen, soll dann ein Festgeläut erklingen. Die Gemeinde plant ein Fest zum Abschluss dieser vielfältigen Bauarbeiten mit allen Firmen und Beteiligten und selbstverständlich mit den Breitenhagenern und Gästen zu feiern. Mal sehen, wie dann die hoffentlich frisch gestrichenen Glocken klingen.
Viele Grüße Ihr Pfarrer Ulf Rödiger
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