01.11.2025
Zeitungsandacht zum 20. Sonntag nach Trinitatis
Stille Zeit
Der November ist ein grauer Monat. Der Herbst mit seinen bunten Farben ist fast vorbei und der Advent mit seinen wärmenden Lichtern ist noch nicht da. Wie eine merkwürdige Zwischenzeit kommt mir der November vor, wie eine Zeit zwischen Vergehen und Neuanfang. So als würde jemand kurz den Pausenknopf drücken und für einen Moment alles zum Stillstand bringen.
Passend dazu nimmt das Kirchenjahr in diesem Monat sein Ende. Und nicht genug damit. Auch der Buß- und Bettag und der Ewigkeitssonntag fallen in den November. Früher hat man den November deshalb die stille Zeit genannt. In der Kindheit meiner Großeltern war das eine besondere Zeit. Denn der Buß- und Bettag mitten in der Woche bremste das Lebenstempo spürbar herunter und am Ewigkeitssonntag, den manche auch als Totensonntag kennen, ging man bei Wind und Wetter auf den Friedhof.
Wenn ich mir das alles so vor Augen halte, lässt mich der Gedanke nicht los, dass es schwer ist, Stille und Stillstand auszuhalten. Das merke ich heute daran, dass sich die sogenannte Vorweihnachtszeit bis in den November, wenn nicht gar bis in den Oktober und September hinein erstreckt. Kaum ist der Sommer vorbei, füllen sich die Läden schon mit Lebkuchen, Stolle und Spekulatius. Zeit für Stille und Stillstand bleibt da nicht.
Das finde ich schade, denn ich glaube, dass uns das guttun würde. Wir brauchen Tage, an denen Gefühle wie Trauer, Verlust, Zweifel und Schuld hochkommen dürfen, ohne von der Hektik des Alltags gleich wieder verdrängt zu werden. Jemand, den ich sehr schätze, hat dazu einmal gesagt: „Nur wer klagt, hofft.“ Anders ausgedrückt: Nur wer den Pausenknopf drückt, wer Stille und Stillstand zulässt, sammelt genug Kraft, um nach vorn zu schauen und neue Wege zu suchen.
In diesem Sinne wünsche ich uns eine stille Zeit, eine Zeit, die aus dem grauen Monat November selbst schon eine Art Neuanfang macht.